1 Anleitung zur Verschlüsselung

1. Was ist zu verschlüsseln?

Gesetzliche Bestimmungen


Das Gesetz verlangt sowohl im Rahmen der ambulanten als auch der stationären Versorgung die Verschlüsselung von Diagnosen auf Abrechnungsunterlagen und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (siehe §§ 295 und 301 SGB V), keinesfalls jedoch die Verschlüsselung auf Überweisungen, Krankenhauseinweisungen, Arztbriefen oder gar in der eigenen Patientendokumentation.
Da bei der Verschlüsselung immer Informationen verdichtet werden und Einzelheiten verloren gehen, muss bei solchen Unterlagen stets der Klartext verwendet werden; aus Kollegialität kann natürlich zusätzlich zur Klartextangabe die ICD-Schlüsselnummer angegeben werden.

Diagnosen im Rahmen der Abrechnung


Auf den Abrechnungsunterlagen nach § 295 SGB V müssen Sie sich auf die Behandlungsdiagnosen beschränken. Behandlungsdiagnosen sind Diagnosen, für die im abzurechnenden Quartal eine Behandlung oder sonstige ärztliche Leistungen durchgeführt wurden.

Dauerdiagnosen und chronische Zustände


Dauerdiagnosen und chronische Zustände, die nicht im aktuellen Behandlungskontext stehen, dürfen zum Zwecke der Abrechnung nicht übermittelt werden: bei einem Patienten mit symptomatischer Gonarthrose dürfen Sie nicht zusätzlich die seit Jahren bekannte Penicillinallergie kodieren, wenn Sie nur Leistungen für die Gonarthrose abrechnen.

Kodiervorgaben in der ambulanten Versorgung


Bei Kodierung in der ambulanten Versorgung sind die "Kodiervorgaben nach § 295 Abs. 4 SGB V" anzuwenden.

Kodierung in der stationären Versorgung


Bei Kodierung der stationären Krankenhausbehandlung sind die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) in der jeweils gültigen Fassung zu berücksichtigen; in psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen sind die Deutschen Kodierrichtlinien für die Psychiatrie/ Psychosomatik (DKR-Psych) heranzuziehen.
Ebenso zu beachten sind die als Kodierregeln geltenden Entscheidungen des Schlichtungsausschusses auf Bundesebene nach § 19 KHG zur Klärung strittiger Kodier- und Abrechnungsfragen.

2. Wie wird verschlüsselt?

Spezifische Verschlüsselung


Es ist so spezifisch wie möglich zu verschlüsseln, also derjenige Kode zu wählen, der für die dokumentierte Diagnose als der spezifischste Kode angesehen wird. Die Resteklassen "Sonstige ..." oder "Sonstige näher bezeichnete ..." sollen nur dann verwendet werden, wenn eine spezifische Diagnose dokumentiert ist, aber keiner der spezifischen Kodes der übergeordneten Kategorie passt. Die Resteklasse "..., nicht näher bezeichnet" soll nur dann verwendet werden, wenn die dokumentierte Diagnose keine hinreichende Spezifität für eine Zuordnung zu einer der spezifischeren Schlüsselnummern der übergeordneten Kategorie aufweist.

Endständige Verschlüsselung mit Ausnahmen


Grundsätzlich gilt: Zur Verschlüsselung sind die endständigen (terminalen) Schlüsselnummern der ICD-10-GM zu verwenden, also Kodes, die keine Subkodes mehr enthalten. Endständige Schlüsselnummern können dreistellig, vierstellig oder fünfstellig sein. Von dieser Grundregel der endständigen Verschlüsselung gibt es die folgenden Ausnahmen:
In der ambulanten Versorgung (§ 295 SGB V) kann auf die fünfte Stelle verzichtet werden

Befreiung von der Verschlüsselungspflicht


Bestimmte Berufsgruppen können anstelle des jeweils spezifischen Diagnosenschlüssels nach ICD-10-GM ersatzweise die Schlüsselnummer Z01.7 Laboruntersuchung angeben. Zu diesen Berufsgruppen gehören Fachärzte für Pathologie, für Neuropathologie, für Laboratoriumsmedizin sowie für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie. Näheres regelt der Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä).

Hinweis zur spezifischen und endständigen Verschlüsselung


Natürlich steht es allen Vertragsärzten frei, spezifischer zu verschlüsseln, d.h. auch dann die fünfstelligen Schlüsselnummern zu verwenden, wenn eine der o.g. Ausnahmen von der fünfstelligen Verschlüsselung besteht. Sicherlich werden dies viele Ärzte tun, sei es, um ihre Leistung so gut wie möglich zu dokumentieren, um Praxisbesonderheiten darzustellen oder um intern die Vorteile einer guten Dokumentation zu nutzen. Außerdem kann eine fünfstellige Dokumentation zweckmäßig sein, wenn der Patient etwa die differenzierte Diagnose eines konsultierten Facharztes oder aus einer stationären Behandlung mitbringt.

Verschlüsselung seltener Erkrankungen in der stationären Versorgung


Zur Spezifizierung der Diagnoseangaben in Bezug auf das Vorliegen einer seltenen Erkrankung sind bei der Krankenhausbehandlung nach § 301 SGB V zusätzlich zu den Schlüsselnummern der ICD-10-GM Orphanet-Kennnummern anhand der Datei Alpha-ID-SE anzugeben, sofern sie für die zu kodierende Erkrankung vorliegen.

Verschlüsselung mit dem Alphabetischen Verzeichnis


Am einfachsten ist die Verschlüsselung mit dem Alphabetischen Verzeichnis zur ICD-10-GM (Diagnosenthesaurus). Es enthält mehr als 82.500 verschlüsselte Diagnosen und bietet damit einen guten Einstieg in die Verschlüsselung. Schlagen Sie z.B. die Koronararteriensklerose nach unter "Koronararterie, Sklerose". Sie finden die Schlüsselnummer I25.19. Wenn Sie unter dieser Schlüsselnummer in der Systematik nachschlagen, sehen Sie, dass I25.19 die Resteklasse "Nicht näher bezeichnet" ist. Sie finden unter I25.1- auf fünfter Stelle aber eine Differenzierung nach Ein-, Zwei- oder Drei-Gefäß-Erkrankung etc. und dort möglicherweise einen Kode, der für Ihre dokumentierte Diagnose spezifischer ist. Handelt es sich beispielsweise um eine Drei-Gefäß-Erkrankung, ist grundsätzlich mit der fünfstelligen Schlüsselnummer I25.13 zu kodieren, da diese endständige Schlüsselnummer die koronare Drei-Gefäß-Erkrankung so spezifisch wie möglich abbildet.
In der ambulanten hausärztlichen Versorgung ist die Angabe von I25.1 ausreichend, da hier (wie oben angeführt) eine Ausnahme von der fünfstelligen Verschlüsselung vorliegt. Die Angabe von I25.13 (Drei-Gefäß-Erkrankung) ist jedoch erlaubt. Die alleinige Angabe von I25 (d.h. nur des dreistelligen Kodes) ist hier nicht zulässig.
In der stationären Versorgung ist grundsätzlich die endständige Schlüsselnummer anzugeben, im Beispiel also I25.13.

3. Wie werden die Zusatzkennzeichen verwendet?

Zusatzkennzeichen für die Diagnosesicherheit


Die Zuarbeit der ärztlichen Berufsverbände und der Spitzenverbände der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sowie die Erfahrungen aus der Pilotphase mit der ICD-10-SGB V zeigen, dass Zusatzangaben zur Aussagefähigkeit einer Diagnose für die Zwecke des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) vor allem dann erforderlich sind, wenn die Diagnosenangabe nicht eine erfolgte oder geplante Behandlung begründen soll, sondern Leistungen vor Stellung einer gesicherten Diagnose, zum Ausschluss einer Erkrankung oder zur Verhütung eines Rezidivs. Zur Qualifizierung einer Diagnose im beschriebenen Sinne dient jeweils eines der folgenden Zusatzkennzeichen für die Diagnosensicherheit:

VVerdachtsdiagnose bzw. auszuschließende Diagnose
Z(symptomloser) Zustand nach der betreffenden Diagnose
Aausgeschlossene Diagnose
Ggesicherte Diagnose (auch anzugeben, wenn A, V oder Z nicht zutreffen)

Anwendung der Zusatzkennzeichen für die Diagnosensicherheit


In der ambulanten Versorgung (§ 295 SGB V) sind die Zusatzkennzeichen für die Diagnosensicherheit obligatorisch.
In der stationären Versorgung (§ 301 SGB V) sind die Zusatzkennzeichen für die Diagnosensicherheit verboten, d.h. sie dürfen nicht verwendet werden. In der stationären Versorgung sind stattdessen die hierfür vorgesehenen Schlüsselnummern im Kap. XXI zu verwenden. Außerdem sei auf die Kodierrichtlinien DKR und DKR-Psych verwiesen.

Zusatzkennzeichen für die Seitenlokalisation


Zur Feststellung der Leistungspflicht benötigen die Krankenkassen die Qualifizierung einer Diagnose hinsichtlich der Seitenlokalisation, um z.B. zu prüfen, ob eine erneute Arbeitsunfähigkeit, die mit der gleichen, für paarige Organe (z.B. Augen) vorgesehenen ICD-10-GM-Schlüsselnummer begründet ist, auf einer bereits bestehenden Erkrankung oder auf einer neuen, davon unabhängigen Erkrankung beruht. Dafür gibt es die folgenden Zusatzkennzeichen für die Seitenlokalisation:

Rrechts
Llinks
Bbeidseitig

Anwendung der Zusatzkennzeichen für die Seitenlokalisation


Die Zusatzkennzeichen für die Seitenlokalisation dürfen sowohl in der ambulanten als auch in der stationären Versorgung verwendet werden.

Besondere Hinweise zu den Zusatzkennzeichen


Seitenlokalisation und ggf. Diagnosensicherheit sollen angegeben werden, wenn sie zur Erfüllung des Zweckes der Datenübermittlung erforderlich sind. Sie sind bewusst so gewählt, dass sie sich leicht einprägen.

Verschlüsselungsbeispiele


Im Folgenden finden Sie einige Verschlüsselungsbeispiele:
undefined

Diagnoseundefined§ 301 SGB V(stationäre Versorgung)
Schnittwunde am linken UnterarmS51.9 GLS51.9 L
Beidseitige SchrumpfnierenN26 GBN26 B
Symptomloser Zustand nach ApoplexI64 ZZ86.7
Zustand nach Apoplex mit linksseitiger schlaffer HemipareseI69.4 GG81.0 GL I69.4G81.0 L
Ausgeschlossener HerzinfarktI21.9 AZ03.4
Verdacht auf HerzinfarktI21.9 VZ03.4

Kodierung in der stationären Versorgung


In der stationären Versorgung sind die Regelungen in den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) für den Umgang mit Symptomen, Verdachtsdiagnosen und ausgeschlossenen Diagnosen zu beachten. In psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen sind entsprechend die DKR-Psych anzuwenden.

4. Welche Besonderheiten sind bei den Kap. XVIII, XX und XXI zu beachten?

Kapitel XVIII (Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind)


Das Kapitel XVIII (Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind) enthält Symptome und Befunde. Diese Schlüsselnummern dürfen in der Regel nur verwendet werden, wenn auch nach entsprechender Diagnostik oder in Verbindung mit einem Zusatzkennzeichen keine spezifischere Diagnose gestellt werden kann; außerdem dürfen diese Schlüsselnummern verwendet werden, wenn am Quartalsende, z.B. beim Erstkontakt, die Diagnostik noch nicht abgeschlossen ist. In der stationären Versorgung sind hierzu auch die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) zu beachten, in psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen entsprechend die DKR-Psych.

Kapitel XX (Äußere Ursachen von Morbidität und Mortalität)


Das Kapitel XX (Äußere Ursachen von Morbidität und Mortalität) enthält die äußeren Ursachen von Verletzungen und Vergiftungen. Diese Angaben sind nur erlaubt als Zusatz zu einer die Art des Zustandes bezeichnenden Schlüsselnummer aus einem anderen Kapitel der Klassifikation. In der ambulanten und stationären Versorgung werden nur wenige Schlüsselnummern dieses Kapitels benötigt, um ursächlich die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen gegen die Leistungspflicht Dritter abzugrenzen.

Kapitel XXI (Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen)


Das Kapitel XXI (Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen) darf zur alleinigen Verschlüsselung des Behandlungsanlasses nur verwendet werden, wenn Leistungen abgerechnet werden, die nicht in einer Erkrankung begründet sind. Dies betrifft beispielsweise Leistungen zur Vorsorge (z.B. Impfungen), zur Herstellung der Zeugungs- und Empfängnisfähigkeit, zur Empfängnisverhütung und zu Schwangerschaftsabbruch und Sterilisation.
Für die Kodierung im Krankenhaus sei auf die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) verwiesen, für die Kodierung in psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen gelten entsprechend die DKR-Psych.

5. Was sind sekundäre ("optionale") Schlüsselnummern?

Sekundäre Schlüsselnummern


Sekundäre Schlüsselnummern sind Kodes, die nicht allein, sondern nur in Kombination mit einem anderen - primären - Kode benutzt werden können. In der ICD-10-GM gibt es zwei Arten von sekundären Kodes: Ausrufezeichen- und Sternschlüsselnummern.Ausrufezeichenschlüsselnummern sind mit einem Ausrufezeichen (S41.87!), Sternschlüsselnummern mit einem Stern (H36.0*) gekennzeichnet.
Zur Anwendung sekundärer Schlüsselnummern hier zwei Beispiele; bitte beachten Sie bei der Kodierung im stationären Bereich in jedem Fall auch die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR, DKR-Psych):

Verschlüsselungsbeispiel mit Ausrufezeichenkode


Die Schlüsselnummer S41.87! "Weichteilschaden I. Grades bei offener Fraktur oder Luxation des Oberarmes" ist mit einem Ausrufezeichen gekennzeichnet. Sie dürfen diese Schlüsselnummer nicht allein benutzen; Sie können sie jedoch zusätzlich zu einem Primärkode (Kode ohne Ausrufezeichen oder Stern) verwenden, um eine Diagnose zu spezifizieren. Sie können z.B. bei "Humerusschaftfraktur" durch die zusätzliche Angabe "Weichteilschaden I. Grades bei offener Fraktur oder Luxation des Oberarmes" die Frakturverletzung näher spezifizieren: S42.3 S41.87!

Verschlüsselungsbeispiel im Kreuz-Stern-System


In diesem Zusammenhang sei auch das Kreuz-Stern-System der ICD-10 erwähnt. Die Kennzeichnung von Schlüsselnummern durch Kreuz und Stern ist aus der WHO-Ausgabe der ICD-10 übernommen worden. Die ICD-10 klassifiziert Diagnosen primär nach der Ätiologie. Eine Retinopathie bei Typ-1-Diabetes ist primär als Typ-1-Diabetes zu verschlüsseln, also mit E10.30 "Diabetes mellitus, Typ 1, mit Augenkomplikationen, nicht als entgleist bezeichnet". Dabei geht die Manifestation der Krankheit als Retinopathie verloren. Das Kreuz-Stern-System erlaubt es nun, mit einer zweiten zusätzlichen Schlüsselnummer diese Manifestation anzugeben: H36.0* "Diabetische Retinopathie". Diese Schlüsselnummer gibt aber nicht den Diabetes-Typ und die Stoffwechsellage wieder. Nur beide Schlüsselnummern zusammen übermitteln die vollständige Information.
Sternschlüsselnummern dürfen nicht als alleinige Schlüsselnummern verwendet werden, sondern immer nur zusammen mit einer anderen primären Schlüsselnummer; die primäre Schlüsselnummer wird in diesem Fall durch ein angehängtes Kreuz gekennzeichnet. Die diabetische Retinopathie wird nach dem Kreuz-Stern-System mit E10.30+ H36.0* verschlüsselt. Die Angabe E10.30 genügt den gesetzlichen Anforderungen, die alleinige Angabe von H36.0 oder auch H36.0* ist unzulässig. Als Kreuzschlüsselnummer kann in der ICD-10 jede primäre Schlüsselnummer verwendet werden, wenn die Kombination medizinisch sinnvoll ist; Sie sind also nicht an die mit einem Kreuz markierten Schlüsselnummern gebunden.

Besonderer Hinweis zu Sekundärschlüsseln


Auf den Abrechnungsunterlagen und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach § 295 können Sie außerdem das Kreuz und den Stern weglassen, da diese Eigenschaften für alle Schlüsselnummern eindeutig vorgegeben sind: E10.30 H36.0.
Mit der Einführung der neuen Entgeltsysteme im stationären Bereich hat die Kreuz-Stern-Verschlüsselung im Krankenhaus an Bedeutung gewonnen, da ein Behandlungsfall unter Umständen durch die Angabe einer Sternschlüsselnummer einer höheren Komplexitätsstufe zugeordnet wird.

2 wesentliche jährliche Änderungen der ICD-10-GM-Daten

Vorbemerkungen und Danksagungen


Die ICD-10-GM wird gemäß der Verfahrensordnung für die Festlegung der Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten, German Modification (ICD-10-GM) und des Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS) auf der Grundlage des § 295 Absatz 1 Satz 9 und § 301 Absatz 2 Satz 7 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) jährlich überarbeitet.
Die vorliegende Version der Systematik der ICD-10-GM 2023 erscheint zusammen mit einem Alphabetischen Verzeichnis. Wie immer wurde das Alphabetische Verzeichnis an die neue Version der ICD-10-GM angepasst.
Wie in den Vorjahren wurden auch in diesem Jahr zahlreiche Vorschläge der Anwender zur Weiterentwicklung der Klassifikation berücksichtigt und integriert.
Seit Version 2019 gibt die WHO keine regelmäßigen Aktualisierungen mehr für die ICD-10 heraus. Jedoch werden von der WHO nicht belegte Schlüsselnummern bei Bedarf mit Inhalt belegt und in ggf. modifizierter Form in die ICD-10-GM übernommen. Zudem werden bei Bedarf neue nicht belegte Schlüsselnummern als Platzhalter für zukünftige Anforderungen eingeführt. Für die ICD-10-GM 2023 kommt zum Stand der Herausgabe der amtlichen Fassung beides nicht zum Tragen.
Wir möchten uns bei den Mitgliedern der Arbeitsgruppe ICD des Kuratoriums für Fragen der Klassifikationen im Gesundheitswesen (KKG) beim Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und bei den Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen Mitgliedsgesellschaften der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen  Fachgesellschaften  (AWMF)  und  des  InEK  für  ihre  Zuarbeit, Beratung und fachliche Unterstützung bei der Bearbeitung dieser Version ausdrücklich bedanken.

Grundsätzliches

Zusatzkennzeichen


Die Regelung der Zusatzkennzeichen stellt sich, analog der Vorversion, wie folgt dar:
Im stationären Bereich bleiben diese Zusatzkennzeichen weiterhin außer Kraft. Die  Zusatzkennzeichen für die Seitenlokalisation R (rechts), L (links) und B (beidseitig) können nach wie vor in der ambulanten und in der stationären Versorgung verwendet werden.

VVerdachtsdiagnose bzw. auszuschließende Diagnose
Z(symptomloser) Zustand nach der betreffenden Diagnose
Aausgeschlossene Diagnose
Ggesicherte Diagnose (auch anzugeben, wenn A, V oder Z nicht zutreffen)

Einzelne wichtige Änderungen

Kapitel I - Bestimmte infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00 - B99)

Virussepsis


Bei den Schlüsselnummern B00.7 Disseminierte Herpesvirus-Krankheit und B34.8 Sonstige Virusinfektionen nicht näher bezeichneter Lokalisation  wurden neue 5-Steller eingeführt, um das Auftreten einer Sepsis durch Herpesviren bzw. Sepsis durch Viren, anderenorts nicht klassifiziert spezifisch kodieren zu können.

Pilzsepsis


Im Kodebereich B38.- bis B46.- wurden bei den Schlüsselnummern zur Kodierung von spezifischen disseminierten Pilzinfektionen und bei B48.8 Sonstige näher bezeichnete Mykosen neue 5-Steller eingeführt, um das Auftreten einer Sepsis durch Pilzinfektion spezifisch kodieren zu können.

Protozoensepsis


Bei den Schlüsselnummern B58.9 Toxoplasmose, nicht näher bezeichnet und B60.8 Sonstige näher bezeichnete Protozoenkrankheiten wurden neue 5-Steller eingeführt, um das Auftreten einer Sepsis durch Toxoplasmen bzw. einer Sepsis durch Protozoen, anderenorts nicht klassifiziert spezifisch kodieren zu können.

Nosokomiale Sepsis


Bei den Schlüsselnummern zur Kodierung einer Sepsis bei nachgewiesenen Erregern wurde jeweils ein Kodierhinweis zu den neu eingeführten Schlüsselnummern U69.80! bis U69.82! ergänzt, um den zeitlichen Bezug der Sepsis zur stationären Krankenhausaufnahme spezifisch kodieren zu können.
Dies betrifft für Sepsis durch Bakterien den Kodebereich A02.- bis A42.- und für Sepsis durch Pilze den Kodebereich B37.- bis B48.-. Der Kodierhinweis wurde ebenfalls für die virenspezifischen Sepsis-Kodes B00.70 Sepsis durch Herpesviren und B34.80 Sepsis durch Viren, anderenorts nicht klassifiziert ergänzt. Gleiches gilt für die protozoenspezifischen Sepsis-Kodes B58.90 Sepsis durch Toxoplasmen und B60.80 Sepsis durch Protozoen, anderenorts nicht klassifiziert.

Kapitel II - Neubildungen (C00 - D48)

Bösartige Neubildungen der Perianalhaut


Bei der Schlüsselnummer C44.5 Haut des Rumpfes (unter der Kategorie C44.- Sonstige bösartige Neubildungen der Haut) wurden neue 5-Steller eingeführt, um eine bösartige Neubildung der Perianalhaut von sonstigen bösartigen Neubildungen der Haut des Rumpfes abzugrenzen und spezifisch kodieren zu können.

Zytogenetische und molekulargenetische Differenzierung


Bei der Schlüsselnummer D47.7 Sonstige näher bezeichnete Neubildungen unsicheren oder unbekannten Verhaltens des lymphatischen, blutbildenden und verwandten Gewebes wurde ein Kodierhinweis eingeführt, um das Vorliegen einer zytogenetischen oder molekulargenetischen Differenzierung durch die Verwendung neuer sekundärer Schlüsselnummern (U62.0-!) spezifisch kodieren zu können (siehe auch Kap. XXII).

Kapitel IV - Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00 - E90)

Schweregrad einer Hypoglykämie bei Diabetes mellitus und einer Hypoglykämie bei anderen Zuständen, Hypoglykämiewahrnehmungsstörung


Im Kodebereich E10.- bis E14.- wurde für die Schlüsselnummern zur Angabe einer Hypoglykämie bei Diabetes mellitus jeweils ein Kodierhinweis im Hinblick auf die Verwendung der neu eingeführten sekundären Schlüsselnummern unter U69.7-! zur Angabe des Schweregrades einer Hypoglykämie oder des Vorliegens einer Hypoglykämiewahrnehmungsstörung ergänzt.
Bei den Schlüsselnummern zur Kodierung einer Hypoglykämie unter E16.- Sonstige Störungen der inneren Sekretion des Pankreas wurden ebenfalls Kodierhinweise auf die neuen sekundären Schlüsselnummern U69.70! bis U69.72! zur Angabe des Schweregrades einer Hypoglykämie ergänzt.

Hyperlipoproteinämie (a)


Bei der Schlüsselnummer E78.8 Sonstige Störungen des Lipoproteinstoffwechsels wurden neue 5-Steller eingeführt, um eine Hyperlipoproteinämie (a) spezifisch kodieren zu können.

Kapitel V - Psychische und Verhaltensstörungen (F00 - F99)

Psychische und Verhaltensstörungen bei Demenz


Für die Schlüsselnummern zur Kodierung einer Demenz (F00 - F03) wurde jeweils ein Kodierhinweis zu den neu eingeführten sekundären Schlüsselnummern U63.-! Psychische und Verhaltensstörungen bei Demenz ergänzt.

Kapitel VI - Krankheiten des Nervensystems (G00 - G99)

Fatigue-Syndrom


Auf Antrag des Fachbereiches wurden bei der Schlüsselnummer G93.3 Chronisches Müdigkeitssyndrom [Chronic fatigue syndrome] der Klassentitel und die Inklusiva an die neue Terminologie angepasst.

Kapitel X - Krankheiten des Atmungssystems (J00 - J99)

Kontrollstatus und Schweregrad des Asthmas bronchiale


Bei der Schlüsselnummer J45.- wurde eine neue Subklassifikation auf 5. Stelle eingeführt, um den Kontrollstatus und Schweregrad des Asthmas bronchiale spezifisch kodieren zu können.

Akute Exazerbation


Bei der Schlüsselnummer J61 Pneumokoniose durch Asbest und sonstige anorganische Fasern wurden neue 4-Steller und bei den Schlüsselnummern unter J67.- Allergische Alveolitis durch organischen Staub und J84.- Sonstige interstitielle Lungenkrankheiten wurden neue 5-Steller (mittels einer Subklassifikation) eingeführt, um das Auftreten einer akuten Exazerbation spezifisch kodieren zu können.

Kapitel XI - Krankheiten des Verdauungssystems (K00 - K93)

Ösophagitis


Bei der Schlüsselnummer K20 Ösophagitis wurden neue 4-Steller eingeführt, um die Art der Ösophagitis spezifischer kodieren zu können. Die vormals bei K20 als Inklusivum aufgeführte peptische Ösophagitis wird nun der Schlüsselnummer K21.0 Gastroösophageale Refluxkrankheit mit Ösophagitis als Inklusivum zugeordnet, da der Begriff hier fachlich zu verorten ist.

Autoimmune und hereditäre Pankreatitis


Bei der Schlüsselnummer K86.1 Sonstige chronische Pankreatitis wurden neue 5-Steller eingeführt, um eine Autoimmunpankreatitis [AIP] und Hereditäre Pankreatitis spezifisch kodieren zu können.

Strikturen nach medizinischen Maßnahmen am Verdauungstrakt


Unter der Schlüsselnummer K91.8- Sonstige Krankheiten des Verdauungssystems nach medizinischen Maßnahmen, anderenorts nicht klassifiziert wurde ein neuer 5-Steller eingeführt, um Strikturen am Verdauungstrakt nach endoskopischen Eingriffen und Operationen spezifisch kodieren zu können. Zusätzlich wurde unter K91.82 ein Inklusivum Insuffizienzen von Anastomosen und Nähten am Pankreas mit Beteiligung des Dünndarms ergänzt.

Kapitel XVI - Bestimmte Zustände, die ihren Ursprung in der Perinatalperiode haben (P00 - P96)

Intrakranielle nichttraumatische Blutung beim Fetus und Neugeborenen


Der Klassentitel der Schlüsselnummer P52.0 Intraventrikuläre (nichttraumatische) Blutung 1. Grades beim Fetus und Neugeborenen wurde unter Berücksichtigung der DEGUM-Klassifikation für Hirnblutungen des Frühgeborenen umbenannt in Intrakranielle (nichttraumatische) Blutung 1. Grades beim Fetus und Neugeborenen.
Die Inklusiva unter P52.1 Intraventrikuläre (nichttraumatische) Blutung 2. Grades beim Fetus und Neugeborenen und P52.2 Intraventrikuläre (nichttraumatische) Blutung 3. Grades beim Fetus und Neugeborenen wurden ebenfalls entsprechend der DEGUM-Klassifikation angepasst bzw. ergänzt.

Kapitel XVIII - Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00 - R99)

Nosokomialer septischer Schock


Bei der Schlüsselnummer R57.2 Septischer Schock wurde ein Kodierhinweis ergänzt im Hinblick auf die Verwendung der neu eingeführten Schlüsselnummern U69.83! bis U69.85! zur Angabe des zeitlichen Bezugs des septischen Schocks zur stationären Krankenhausaufnahme.

Kapitel XXII - Schlüsselnummern für besondere Zwecke (U00 - U99)

Sekundäre Schlüsselnummern zur Spezifizierung von zytogenetischen und molekulargenetischen Differenzierungen bei Neubildungen


Es wurden sekundäre Schlüsselnummern unter U62.-! Zytogenetische und molekulargenetische Differenzierungen bei Neubildungen eingeführt, um durch Ausdifferenzierung auf 5. Stelle eine Klonale Hämatopoese von unbestimmtem Potenzial [CHIP] und eine Klonale Zytopenie von unklarer Signifikanz [CCUS] bei D47.7 Sonstige näher bezeichnete Neubildungen unsicheren oder unbekannten Verhaltens des lymphatischen, blutbildenden und verwandten Gewebes spezifisch kodieren zu können.

Psychische und Verhaltensstörungen bei Demenz


Um das Vorliegen begleitender psychischer und Verhaltensstörungen bei Demenz (F00 - F03) kodieren zu können, wurden Symptomspezifikatoren als sekundäre Schlüsselnummern unter U63.-! eingeführt. Diese entsprechen denen der ICD-11 für die sogenannte Postkoordination zur Spezifizierung der Symptomatik bei Demenz.

Nosokomiale Pneumonie


Die Schlüsselnummern U69.0-! Anderenorts klassifizierte, im Krankenhaus erworbene Pneumonie wurden entsprechend der AWMF S3-Leitlinie "Behandlung von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie - Update 2021" angepasst. Zwei 5-Steller wurden entfernt und in einen neuen 5-Steller (U69.04!) überführt, der die Kodierung einer nosokomialen Pneumonie unabhängig von einer zurückliegenden Hospitalisierung ermöglicht.

Schweregrad der Hypoglykämie und Hypoglykämiewahrnehmungsstörung


Die sekundären Schlüsselnummern U69.7-! wurden eingeführt, um Hypoglykämien im Hinblick auf den Schweregrad oder das Vorliegen einer Hypoglykämiewahrnehmungsstörung spezifisch kodieren zu können.

Nosokomiale Sepsis und septischer Schock


Die unter U69.8-! eingeführten sekundären Schlüsselnummern ermöglichen die spezifische Kodierung des zeitlichen Bezugs einer Sepsis und eines septischen Schocks zur stationären Krankenhausaufnahme. Die Unterscheidung von nicht-nosokomial und nosokomial erfolgt gemäß den KISS-Definitionen des Robert-Koch-Instituts (2017). Im Falle einer Verlegung der zu behandelnden Person bezieht sich die Differenzierung nicht-nosokomial bzw. nosokomial auf das zeitliche Auftreten der Sepsis oder des septischen Schocks in Bezug auf die Krankenhausaufnahme durch den kodierenden Leistungserbringer.

Resistenzen gegen Antimykotika


Der Klassentitel der sekundären Schlüsselnummern U83! Candida mit Resistenz gegen Fluconazol oder Voriconazol wurde geändert in Humanpathogene Pilze mit Resistenz gegen Antimykotika. Die Schlüsselnummer U83! wurde zusätzlich auf der 5. Stelle ausdifferenziert, um relevante Resistenzen gegen Antimykotika bei humanpathogenen Pilzen spezifisch angeben zu können.