Maßnahmen der Physikalischen Therapie entfalten ihre Wirkung insbesondere nach physikalisch-biologischem Prinzip durch überwiegend von außen vermittelte kinetische, mechanische, elektrische und thermische Energie. Bei Bädern und Inhalationen können auch chemische Inhaltsstoffe mitwirken.
Für bestimmte Maßnahmen der Physikalischen Therapie muss der Heilmittel-Erbringer spezieller Qualifikationen besitzen, die über die im Rahmen der Berufsausbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten hinausgehen.
Zu den Maßnahmen der Physikalischen Therapie gehören die in den §§ 18 bis 25 genannten verordnungsfähigen Heilmittel. Maßnahmen, deren therapeutischer Nutzen nach Maßgabe der Verfahrensordnung nicht nachgewiesen ist, und Maßnahmen, die der persönlichen Lebensführung zuzuordnen sind, sind keine verordnungsfähigen Heilmittel i.S. dieser Richtlinie. Gleiches gilt für Maßnahmen, deren therapeutischer Nutzen nachgewiesen, deren Einsatz jedoch bei den in der Anlage genannten Indikationen nicht anerkannt ist.
Massagetherapie
Die Massagetherapie ist eine in Ruhelage der Patientin oder des Patienten durchgeführte Maßnahme, die aktive körperliche Reaktionen bewirkt. Die Massagetherapie setzt bestimmte manuelle Grifftechniken ein, die in planvoll kombinierter Abfolge je nach Gewebebefund über mechanische Reizwirkung direkt Haut, Unterhaut, Muskeln, Sehnen und Bindegewebe einschließlich deren Nerven, Lymph- und Blutgefäße beeinflussen. Indirekt wird eine therapeutische Beeinflussung innerer Organe über cutiviscerale Reflexe erreicht.
Die Massagetherapie umfasst die nachstehend beschriebenen Maßnahmen.
- KMT: Klassische Massagetherapie als überwiegend muskuläre Massageform einzelner oder mehrerer Körperteile zur Erzielung einer entstauenden, tonisierenden, detonisierenden, schmerzlindernden und hyperämisierenden Wirkung
- BGM: Bindegewebsmassage
- SM: Segmentmassage
- PM: Periostmassage
- CM: Colonmassage
Diese Techniken wirken über nervös reflektorische Wege zur Beeinflussung innerer Organe und peripherer Durchblutungsstörungen über segmentale Regulationsmechanismen
- UWM: Unterwasserdruckstrahlmassage als manuell geführtes Verfahren am unter Wasser befindlichen Patienten, unterstützt vom entspannenden Effekt der Wassertemperatur und von der Auftriebskraft des Wassers, zur verbesserten Rückstromförderung und Mehrdurchblutung, Schmerzlinderung sowie Detonisierung der Muskulatur durch individuell einstellbaren Druckstrahl.
- MLD: Manuelle Lymphdrainage der Extremitäten, des Kopfes und/oder des Rumpfes einschließlich der ggf. erforderlichen Kompressionsbandagierung (Lymphologischer Kompressionsverband) zur entstauenden Behandlung bei Ödemen verschiedener Ursachen. Gegebenenfalls erforderliche Kompressionsbinden sind gesondert als Verbandmittel zu verordnen, sofern keine Hilfsmittel zur Kompressionstherapie vorhanden sind. In Anlehnung an den unterschiedlichen indikationsbezogenen Zeitbedarf sind verordnungsfähig:
- MLD-30 Minuten Therapiezeit an der Patientin oder dem Patienten (Teilbehandlung) bei leichtgradigen Lymphödemen, Ödemen oder Schwellungen zur Behandlung eines Körperteils wie eines Armes oder Beines, des Rückens oder des Kopfes einschließlich des Halses oder des Rumpfes.
- MLD-45 Minuten Therapiezeit an der Patientin oder dem Patienten (Großbehandlung) bei Lymphödemen sowie phlebolymphostatischen Ödemen zur Behandlung von zwei Körperteilen wie eines Armes und eines Beines, eines Armes und des Kopfes einschließlich des Halses, beider Arme oder beider Beine.
- MLD-60 Minuten Therapiezeit an der Patientin oder dem Patienten (Ganzbehandlung) bei schwergradigen Lymph-ödemen zur Behandlung von zwei Körperteilen wie eines Armes und eines Beines, eines Armes und des Kopfes einschließlich des Halses, beider Arme oder beider Beine
- bei schwergradigen Lymphödemen mit Komplikationen durch Strahlenschädigungen (mit z.B. Schultersteife, Hüftsteife oder Plexusschädigung) zur Behandlung eines Körperteils wie des Kopfes einschließlich des Halses, eines Armes oder eines Beines.
Bewegungstherapie
Die einzelnen Maßnahmen der Bewegungstherapie bauen auf der Kenntnis der normalen und krankhaft veränderten Funktionen der Bewegungsorgane, der Bewegungslehre sowie auf Übungs- und Trainingsprinzipien auf. Dabei dient der gezielte, dosierte, methodisch planmäßige Einsatz dieser Maßnahmen der Erhaltung, Förderung und Wiederherstellung der Leistungen der Stütz- und Bewegungsorgane, des Nervensystems und der dabei beteiligten Funktionen des Herz-/Kreislaufsystems, der Atmung und des Stoffwechsels.
Soweit krankheitsbedingt möglich, soll das Erlernen von Eigenübungsprogrammen im Vordergrund stehen.
- Übungsbehandlung. Die Übungsbehandlung als gezielte und kontrollierte Maßnahme dient der Dehnung verkürzter Muskel- und Sehnenstrukturen und Vermeidung von Kontrakturen sowie Kräftigung der Muskulatur bei krankhafter Muskelinsuffizienz und –dysbalance und Funktionsverbesserung funktionsgestörter Gelenke, des Herz-Kreislauf-Systems, der Atmung und des Stoffwechsels. Die Übungsbehandlung kann als Einzel- oder Gruppenbehandlung verordnet werden.
- Übungsbehandlung im Bewegungsbad. Übungsbehandlung unter Ausnutzung der Wärmewirkung des temperierten Wassers, des Auftriebes und des Reibungswiderstandes des Wassers mit und ohne Auftriebskörper. Die Übungsbehandlung im Bewegungsbad kann als Einzel- oder Gruppenbehandlung verordnet werden.
Chirogymnastik
Chirogymnastik als spezielle funktionelle Wirbelsäulengymnastik dient der Kräftigung von Muskelketten, Koordinierung und Stabilisierung des muskulären Gleichgewichtes sowie der Dehnung von bindegewebigen Strukturen.
Die Chirogymnastik wird ausschließlich als Einzeltherapie verordnet.
Krankengymnastik
Krankengymnastische Behandlungstechniken dienen z.B. der Behandlung von Fehlentwicklungen, Erkrankungen, Verletzungen, Verletzungsfolgen und Funktionsstörungen der Haltungs- und Bewegungsorgane sowie innerer Organe und des Nervensystems mit mobilisierenden und stabilisierenden Übungen und Techniken. Sie dienen der Kontrakturvermeidung und -lösung, der Tonusregulierung, der Funktionsverbesserung bei krankhaften Muskelinsuffizienzen und -dysbalancen sowie der Beeinflussung der Atmungsmechanik und der Atmungsregulation (Atemtherapie). Dabei werden ggf. auch z.B. Gymnastikbänder und -bälle, Therapiekreisel und Schlingentische eingesetzt.
- KG bzw. KG-Atemtherapie: Allgemeine Krankengymnastik: Die allgemeine Krankengymnastik (KG bzw. KG-Atemtherapie) kann als Einzel- oder Gruppenbehandlung verordnet werden.
- KG Bewegungsbad: Krankengymnastische Behandlung unter Ausnutzung der Wärmewirkung des temperierten Wassers, des Auftriebes und des Reibungswiderstandes des Wassers mit und ohne Auftriebskörper. Die Krankengymnastik im Bewegungsbad kann als Einzel- oder Gruppenbehandlung mit maximal 5 Patientinnen oder Patienten verordnet werden.
- KG-Muko: Krankengymnastik zur Behandlung von schweren Erkrankungen der Atmungsorgane wie der Mukoviszidose. KG-Mukoviszidose umfasst neben Techniken der Allgemeinen Krankengymnastik (KG bzw. KG-Atemtherapie) auch eine Bewegungs- und Verhaltensschulung, insbesondere zur Verbesserung der Atemfunktion und zur Sekretlösung. Die KG Mukoviszidose (KG-Muko) wird ausschließlich als Einzeltherapie verordnet.
KG-Gerät: Gerätegestützte Krankengymnastik. Sie dient der Behandlung krankhafter Muskelinsuffizienz, dysbalance und -verkürzung sowie motorischer Paresen mittels spezieller medizinischer Trainingsgeräte, vor allem bei chronischen Erkrankungen der Wirbelsäule sowie bei posttraumatischen oder postoperativen Eingriffen mit Sequenztrainingsgeräten für die oberen und unteren Extremitäten und den Rumpf und/oder Hebel- und Seilzugapparate (auxotone Trainingsgeräte) für die Rumpf- und Extremitätenmuskulatur. Sie wird grundsätzlich als parallele Einzelbehandlung mit maximal 3 Patientinnen oder Patienten verordnet. Unabdingbar ist die Anleitung, Aufsicht und Kontrolle unmittelbar durch die behandelnde Therapeutin oder den behandelnden Therapeuten.
- KG-ZNS-Kinder: Zur Behandlung von zentralen Bewegungsstörungen längstens bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, zur Erleichterung des Bewe-gungsablaufs durch Ausnutzung komplexer Bewegungsmuster, Bahnung von Innervation und Bewegungsabläufen und Förderung oder Hemmung von Reflexen unter Einsatz der Techniken nach Bobath oder Vojta. Die Behandlung wird ausschließlich als Einzeltherapie verordnet.
- KG-ZNS: Zur Behandlung von zentralen Bewegungsstörungen nach Vollendung des 18. Lebensjahres, zur Förderung und Erleichterung des Bewegungsablaufs durch Einsatz komplexer Bewegungsmuster, Bahnung von Innervation und Bewegungsabläufen und Förderung oder Hemmung von Reflexen unter Einsatz der Techniken nach Bobath, Vojta oder PNF (Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation). Die Behandlung wird ausschließlich als Einzeltherapie verordnet.
- Manuelle Therapie: Als Einzeltherapie zur Behandlung reversibler Funktionseinschränkungen der Gelenke und ihrer muskulären, reflektorischen Fixierung durch gezielte (impulslose) Mobilisation oder durch Anwendung von Weichteiltechniken.
- Traktionsbehandlung: Die Traktionsbehandlung besteht in der Anwendung eines gezielten mechanischen apparativen Zuges zur Entlastung komprimierter Nervenwurzeln und Gelenkstrukturen. Die Traktionsbehandlung wird ausschließlich als Einzeltherapie verordnet.
Elektrotherapie
Die Maßnahmen der Elektrotherapie wenden nieder- und mittelfrequente Stromformen an zur Schmerzlinderung, Durchblutungsverbesserung, Tonisierung und Detonisierung der Muskulatur. 2Besondere Stromformen haben entzündungshemmende und resorptionsfördernde Wirkung und vermögen darüber hinaus Muskeln zu kräftigen und gezielt zur Kontraktion zu bringen.
- Elektrotherapie unter Verwendung konstanter galvanischer Ströme oder unter Verwendung von Stromimpulsen (z.B. diadynamische Ströme, mittelfrequente Wechselströme, Interferenzströme)
- Elektrostimulation unter Verwendung von Reizströmen mit definierten Einzel-Impulsen nach Bestimmung von Reizparametern (nur zur Behandlung von Lähmungen bei prognostisch reversibler Nervenschädigung)
- Hydroelektrisches Teilbad oder Vollbad (Stangerbad)
Kohlensäurebäder und Kohlensäuregasbäder (Voll- oder Teilbäder)
Kohlensäurebäder und Kohlensäuregasbäder wirken durchblutungsfördernd und stoffwechselstimulierend, wenn eine standardisierte Konzentration von Kohlendioxid (CO2) auf die Haut einwirkt.
Inhalationstherapie
Die Inhalationstherapie wird ausschließlich als Einzeltherapie mittels Gerät, mit dem eine alveolengängige Teilchengröße erreicht wird, angewendet. Zur längerfristigen Behandlung sind Inhalationen als Heilmittel nur verordnungsfähig, sofern eine Eigenbehandlung mit verordnungsfähigen, als Arzneimittel zugelassenen Inhalaten, ggf. in Verbindung mit zusätzlich notwendigen Geräten, nicht möglich ist.
Thermotherapie (Wärme-/Kältetherapie)
Sowohl Wärme- als auch Kälteanwendungen wirken je nach Indikation schmerzlindernd, beeinflussen den Muskeltonus und wirken reflektorisch auch auf innere Organe. Kälteanwendung wirkt zusätzlich entzündungshemmend. Die Thermotherapie umfasst die nachstehend beschriebenen Maßnahmen:
- Kältetherapie mittels Kaltpackungen, Kaltgas, Kaltluft
- Wärmetherapie mittels Heißluft als strahlende und geleitete Wärme zur Muskeldetonisierung und Schmerzlinderung
- Wärmetherapie mittels heißer Rolle, zur lokalen Hyperämisierung mit spasmolytischer, sedierender, schmerzlindernder und reflektorischer Wirkung auf innere Organe
- Wärmetherapie mittels Ultraschall, zur Verbesserung der Durchblutung und des Stoffwechsels und zur Erwärmung tiefergelegener Gewebsschichten
- Wärmetherapie mittels Warmpackungen mit Peloiden (z.B. Fango), Paraffin oder Paraffin-Peloidgemischen zur Applikation intensiver Wärme
- Wärmetherapie mittels Voll- und Teilbäder mit Peloiden/Paraffin
Die Wärme- oder Kälteapplikation kann mit Ausnahme der Ultraschallwärmetherapie nur als therapeutisch erforderliche Ergänzung in Kombination mit Krankengymnastik, Manueller Therapie, Übungsbehandlung, Chirogymnastik oder Massagetherapie verordnet werden, es sei denn, im Heilmittelkatalog ist indikationsbezogen etwas anderes bestimmt.
Standardisierte Heilmittelkombinationen
Die „standardisierten Heilmittelkombinationen“ aus den §§ 18 bis 24 genannten einzelnen Maßnahmen können nach Maßgabe des Heilmittelkatalogs nur dann verordnet werden, wenn komplexe Schädigungsbilder vorliegen und die therapeutisch erforderliche Kombination von drei oder mehr Maßnahmen synergistisch sinnvoll ist, wenn die Erbringung dieser Maßnahmen in einem direkten zeitlichen und örtlichen Zusammenhang erfolgt und die Patientin oder der Patient aus medizinischer Sicht geeignet ist.
Soweit von der Ärztin oder dem Arzt die Verordnung nicht näher spezifiziert wird, kann die Therapeutin oder der Therapeut über die bei der jeweiligen Behandlung einzusetzenden Maßnahmen entscheiden. Dabei muss die Therapeutin oder der Therapeut alle in der „standardisierten Heilmittelkombination“ genannten Maßnahmen zur Verfügung stellen können.
Ärztliche Diagnostik bei Maßnahmen der Physikalischen Therapie
Vor der Erstverordnung von Maßnahmen der Physikalischen Therapie ist eine Eingangsdiagnostik notwendig. Bei der Eingangsdiagnostik sind störungsbildabhängig diagnostische Maßnahmen durchzuführen, zu veranlassen, zu dokumentieren und/oder ggf. zeitnah erhobene Fremdbefunde heranzuziehen, um einen exakten Befund zu Schädigungen und Funktionsstörungen zu erhalten.
Auch vor Folgeverordnungen bzw. bei Verordnungen außerhalb des Regelfalls von Maßnahmen der Physikalischen Therapie ist die erneute störungsbildabhängige Erhebung des aktuellen Befundes erforderlich. Dabei können auch Fremdbefunde berücksichtig werden. Therapierelevante Befundergebnisse sind auf dem Verordnungsvordruck anzugeben.
Insbesondere bei Nichterreichen des individuell angestrebten Therapiezieles ist eine weiterführende Diagnostik erforderlich, die maßgebend ist für die ggf. notwendige Einleitung anderer ärztlicher oder rehabilitativer Maßnahmen bzw. für die mögliche Beendigung oder Fortsetzung einer Therapie. 2Die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt entscheidet störungsbildabhängig, welche Maßnahmen der weiterführenden Diagnostik er durchführt bzw. veranlasst.